"In die Universität hineinhören..."
Ein Interview mit dem Unternehmer Ludwig Georg Braun

attempto!: Neuere Entwicklungen wie die aktuellen Sparma▀nahmen deuten darauf hin, da▀ der Staat sich immer mehr aus der Finanzierung der Universitäten zurückzieht. Kann die private Wirtschaft diese Lücke füllen?

Es wäre nicht nur ein Armutszeugnis, sondern ein gegenüber den Bürgern unverantwortliches Handeln seitens des Staates, sich aus der Finanzierung der Universitäten zurückzuziehen. Dies aber nicht, weil Universitäten nicht ökonomischer geführt werden können, ohne da▀ die Qualität von Forschung und Lehre darunter leiden mü▀te. Aber es verlangt Umdenken und flexiblere eigenverantwortliche Organisationsmöglichkeiten, die dann ohne Zweifel gern auch durch engere Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft vor allem auf dem Gebiet der Forschung zu zusätzlichen Impulsen führen können, wie wir sie in der heutigen Zeit erwarten, um unsere Standorte zu sichern.

attempto!: Wie müssen sich die Rahmenbedingungen ändern, um Unternehmer zu grö▀erem finanziellem Engagement, etwa durch Stiftungen, zu motivieren?

Ohne Zweifel: schon jetzt werden Universitäten aus den verschiedensten Stiftungen der Wirtschaft entweder direkt oder über angegliederte Institute gefördert. Wenn man solche Zuwendungen erhöhen will, wäre eine der ersten Voraussetzungen, die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von wissenschaftlichen Spenden bei der Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer aufzuheben bzw. die abzugsfähigen Beträge einfach zu erhöhen, (um guten Willen seitens der Stifter oder Spender nicht noch mit steuerlichen Komplikationen zu belasten).

Eine der wichtigsten Hemmschwellen eines verbreiteten Engagements der Wirtschaft ist aber auch die verbeamtete deutsche Universität. Hier sind Mentalitätsveränderungen neben der gesetzlichen Veränderung des auf Lebenszeit berufenen Professors schon notwendig, denn ein verstärktes Engagement der Wirtschaft an den Universitäten wird es nur geben, wenn die Universitäten sich um Unterstützung bemühen und nicht umgekehrt die Stifter nach Abnehmern rufen müssen.

Auch brauchen wir eine Art Verbraucherschutz gegenüber der Universität und ihren Organen, um die Antriebskräfte in Forschung und Lehre 'zu beflügeln', wenn es not tut.

attempto!: In den letzten drei▀ig Jahren setzte die Bildungspolitik zunehmend auf 'Massenschulung'. Mu▀ dieses Ziel fallen, wenn sich die Universitäten stärker an den Unternehmen orientieren?

Die Öffnung der Universitäten für mehr Menschen war ein Segen für unser Land und bleibt es auch, denn eines ist unbestreitbar: heute werden höhere und zum Teil speziellere Fähigkeiten abverlangt, als es noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war.

Universitäten auf der anderen Seite sind nicht dafür verantwortlich, da▀ sie den Unternehmen die fertig gebackenen Mitarbeiter für diese oder jene Funktion liefern. Dies bleibt - wie auch in der dualen Ausbildung - immer die Aufgabe des einstellenden oder aufnehmenden Unternehmens. Zweifelsfrei aber würde eine Konzentration oder besondere Schwerpunktsetzung bestimmter Universitäten mithelfen, die Qualität zu verbessern.

attempto!: Inwiefern kann oder soll die Universität sich Strategien und Erfahrungen von Wirtschaftsunternehmen mit Modernisierungsprozessen zunutze machen?

Es ist in der Tat schwierig, Leistungen öffentlicher Verwaltung, also auch der Universitäten, zu messen. Bisher beschränkt man sich dabei in der Regel traditionell auf den Verbrauch des Inputs, also der verfügbar gestellten Mittel.

Ich würde empfehlen, da▀ die Universität auch über den jährlichen Output Rechenschaft geben mu▀, über das, was sie leistete und in welcher Qualität. Dazu gehören nicht nur ein Summenspiel der Examensabsolventen und Doktoranden etc., sondern auch die dahinterliegenden Arbeitsergebnisse, z.B. Patentanmeldungen, besondere abgeschlossene Forschungsleistungen etc.

Auch würde ich sehr dafür plädieren, allen höheren Beamten, und das sind auch Professoren, nur noch 5-Jahres-Verträge zu geben. Danach mu▀ eine universitätseigene Kommission über die Wiederberufung aufgrund erbrachter Leistungen entscheiden. Solche Leistungen werden aber nur dann korrekt und verantwortlich bewertbar, wenn die einzelnen Fachbereiche eine Haushaltsautonomie erhalten, und die im Fachbereich gemeinsam gesteckten Ziele auch materiell entsprechend stützen zu können.

attempto!: Soll das hei▀en, da▀ Beamte per se unökonomisch sind?

Beamte sind nicht per se unökonomisch, aber das Beamtenrecht als solches stammt aus Zeiten einer anderen Wirtschaftswelt, und es bedarf sicherlich jetzt einer Anpassung, die die Universität leichter die Herausforderung dieser Zeit meistern lä▀t.

attempto!: Wenn Sie ganz frei von irgendwelchen juristischen oder institutionellen Vorgaben wären, was würden Sie als Unternehmer als erstes tun, wenn man Ihnen die Universität anvertrauen würde?

In die Universität hineinhören durch Befragungen, was denn besser, flexibler gemacht werden könnte, wo die Haupthemmnisse liegen, um dann gemeinsam nach einer Synopse der Verbesserungsvorschläge eine von der überwiegenden Zahl der Lehrenden getragenen Modernisierungs- oder Neuuniversität den Weg zu bereiten. Voraussetzung hierzu bleibt aber, da▀ die zuständigen Kultusministerien zu solchem Handeln bereit wären und ihrerseits ministeriellen Einflu▀ zurückzunehmen. Das Verhältnis Aufsichtsrat und Vorstand bei Aktiengesellschaften wäre ein praktikabel entbürokratisierendes Beispiel.

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